Die therapeutische Beziehung ist einer der entscheidendsten Faktoren für den Erfolg einer Therapie oder eines Coachings. Tatsächlich zeigen zahlreiche Studien, dass die Beziehung zwischen Therapeut und Klient oft wichtiger ist als die verwendete Methode oder die spezifischen Aufgaben, die zwischen den Sitzungen erarbeitet werden. Die Verbindung und das Vertrauen, das sich im Laufe der Zeit aufbaut, schaffen eine stabile Basis, auf der langfristige Veränderungen stattfinden können.
Die Rolle der therapeutischen Beziehung – Mehr als nur Methodik
Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die therapeutische Beziehung eine der grössten Einflussgrössen auf den Therapieerfolg ist. Carl Rogers, ein Pionier in der Humanistischen Psychotherapie, betonte bereits in den 1950er Jahren, dass Empathie, Akzeptanz und Authentizität entscheidend für den Heilungsprozess sind (Rogers, 1957). Neuere Meta-Analysen bestätigen, dass eine vertrauensvolle Beziehung oft bedeutsamer ist als die angewendete Technik oder das Vorgehen des Therapeuten (Norcross & Lambert, 2019). Die Qualität dieser Beziehung eröffnet dem Klienten Raum für ehrliche Reflexion und die Bereitschaft, sich auf neue Perspektiven einzulassen.
Warum die eigentliche Veränderung zwischen den Sitzungen geschieht
Therapie und Coaching sind nicht nur auf die Sitzungen beschränkt – die eigentliche Veränderung findet oft „zwischen den Sitzungen“ statt. Hier setzt der Coach oder Therapeut gezielte Impulse, die neue neuronale Pfade stimulieren sollen. Diese Pfade werden zunächst nur leicht angedeutet, doch zwischen den Terminen kommen die Gedanken immer wieder zurück. Diese Wiederholung führt dazu, dass neuronale Verbindungen gestärkt werden und sich langsam in das Denkmuster des Klienten einfügen.
Der Prozess lässt sich gut mit einer verschneiten Hütte und einem Weg zur Toilette im Freien vergleichen: Anfänglich muss der Klient im Dunkeln durch den frischen Schnee einen Pfad bahnen, der beim nächsten Mal oft wieder zugeschneit ist. Doch mit der Zeit und häufigem Begehen wird ein fester Weg angelegt, der immer leichter passierbar ist. Ähnlich funktioniert unser Gehirn – durch wiederholte Gedanken und Verhaltensweisen entstehen neue, gestärkte Pfade.
Gezielte und intuitive Fragen – Ein strategischer Prozess
Während einer Sitzung stellt der Coach oder Therapeut oft Fragen, die scheinbar intuitiv wirken. Doch in Wirklichkeit sind diese Fragen gezielt und Teil einer Strategie, um neuronale Veränderungen zu fördern. Manche Fragen sollen den Klienten dazu bringen, auf tiefsitzende Muster aus der Kindheit zu blicken, die über die Jahre zu festen Pfaden geworden sind. Indem der Klient durch das Coaching oder die Therapie wiederholt auf neue Sichtweisen gelenkt wird, können sich die neuronalen Strukturen langfristig ändern.
Ein Therapeut oder Coach weiss genau, wann und welche Fragen nötig sind, um eine nachhaltige Veränderung anzustossen. Für den Klienten ist es wichtig, sich diesem Prozess anzuvertrauen und Geduld zu haben, da die Ergebnisse durch konstante Wiederholung und Zeit kommen. Erfolg zeigt sich oft in kleinen Schritten und verstärkt sich mit der Zeit – besonders für diejenigen, die „den Prozess vertrauen“.
Beispiele für die Praxis: Alte Muster und neue Wege
Viele Muster und Überzeugungen entstehen bereits in der Kindheit. Diese Überzeugungen, die sich tief in das Gehirn einprägen, sind über Jahre hinweg verstärkt worden und haben dadurch stabile neuronale Verbindungen aufgebaut. Der Weg zu einem neuen Denkmuster erfordert daher viel Geduld und ständige Wiederholung. So wie ein tief verschneiter Pfad zur Toilette nicht in einer Nacht entsteht, kann auch ein neues Denkmuster nicht in einer einzigen Sitzung entwickelt werden.
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie Klienten durch regelmässiges Hinterfragen eigener Glaubenssätze und das Erleben von Aha-Momenten beginnen, neue Wege zu festigen. Über die Zeit wird der alte Pfad weniger genutzt, und der neue, gesunde Weg entsteht zunehmend automatisiert.
Wesentliche Ergebnisse
Interessanterweise sind manche Klienten am Ende einer Coaching- oder Therapiephase, selbst nach sechs Monaten oder einem Jahr, oft noch nicht überzeugt, dass sie wesentliche Ergebnisse erzielt haben. Doch wenn man qualitative und quantitative Analysen durchführt und die Ergebnisse konkret mit den anfänglich gesetzten Zielen vergleicht, zeigt sich oft ein anderes Bild. Aus diesem Grund ist es entscheidend, Ziele zu Beginn klar zu definieren, insbesondere im Coaching. Diese klaren Ziele bieten eine Orientierung und erlauben es, Fortschritte präzise zu messen und sichtbar zu machen.
In vielen Fällen zeigt sich, dass fast 90% der ursprünglich gesetzten Ziele tatsächlich erreicht wurden. Dennoch neigen Menschen aufgrund eines "Negativity Bias" – einer Tendenz, negative Eindrücke und Erfahrungen stärker wahrzunehmen – dazu, ihre Fortschritte zu unterschätzen oder sie schlicht nicht mehr wahrzunehmen, weil sie diese als selbstverständlich ansehen. Klar definierte Ziele und regelmässige Erfolgskontrollen sind daher wesentliche Bestandteile, um Klienten ihre tatsächliche Entwicklung aufzuzeigen und ihnen zu verdeutlichen, wie weit sie auf ihrem Weg bereits gekommen sind.
Unterschiede zwischen Therapie und Coaching
Es ist wichtig zu beachten, dass es Unterschiede zwischen Coaching und Therapie gibt, auch wenn sich beide in bestimmten Aspekten überschneiden. In der Therapie liegt der Schwerpunkt oft auf der Verarbeitung vergangener Erlebnisse, der Heilung emotionaler Wunden und der Entwicklung eines tieferen Verständnisses von Mustern und Verhaltensweisen. Hierbei spielt die Auseinandersetzung mit vergangenen Erfahrungen eine zentrale Rolle, um langfristig Stabilität und Selbstverständnis zu fördern.
Im Coaching hingegen steht vor allem die Erreichung klar definierter Ziele im Vordergrund. Der Prozess ist zielorientierter und zielt darauf ab, Klienten in ihrer persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Hier werden spezifische Strategien entwickelt, um das Potenzial des Klienten freizusetzen und gewünschte Veränderungen praktisch umzusetzen.
Trotz dieser unterschiedlichen Schwerpunkte überschneiden sich Therapie und Coaching jedoch: Beide fördern persönliche Entwicklung, bieten Unterstützung in schwierigen Phasen und helfen, neue Perspektiven und Verhaltensweisen zu entwickeln.
„Trust the Process“ – Ein Schlüssel zum Erfolg
Studien zeigen, dass Klienten, die sich auf den Prozess einlassen und bereit sind, geduldig auf Ergebnisse zu warten, meist grösseren Erfolg haben (Horvath & Symonds, 1991). Es ist wichtig, die nötige Geduld mitzubringen, da echte, neuronale Veränderung Zeit und kontinuierliche Verstärkung benötigen. Die therapeutische Beziehung dient hierbei als Basis, die dem Klienten Sicherheit und Vertrauen gibt, um tiefgreifende Veränderungen zu erreichen. In dieser Zusammenarbeit liegt der Schlüssel zum Erfolg: Der Klient schafft die Veränderung selbst, und der Coach oder Therapeut begleitet ihn als unterstützender Partner.
Quellen:
- Rogers, C. R. (1957). The necessary and sufficient conditions of therapeutic personality change. Journal of Consulting Psychology, 21(2), 95-103.
- Norcross, J. C., & Lambert, M. J. (2019). Evidence-based therapy relationships. Psychotherapy, 56(3), 421-423.
- Horvath, A. O., & Symonds, B. D. (1991). Relation between working alliance and outcome in psychotherapy: A meta-analysis. Journal of Counseling Psychology, 38(2), 139-149.