Warum uns das Vergleichen oft unglücklich macht
Vergleiche sind ein natürlicher Teil unseres Lebens. Seit wir denken können, neigen wir dazu, uns mit anderen zu messen, unsere Leistungen, Erfolge und sogar unser Aussehen mit dem von Menschen in unserem Umfeld oder in den sozialen Medien zu vergleichen. Der berühmte Ausspruch „Comparison is the thief of joy“ (Vergleich ist der Dieb der Freude) wird oft Mark Twain zugeschrieben, und tatsächlich bringt dieser Satz auf den Punkt, was vielen von uns vertraut ist: Der ständige Vergleich raubt uns häufig die Zufriedenheit und das Gefühl des Glücks. Doch warum ist das so, und was sind die psychologischen Hintergründe?
Die Ursprünge des Vergleichs: Warum vergleichen wir uns?
Schon aus evolutionspsychologischer Sicht ist der Impuls, uns zu vergleichen, tief in uns verankert. Unsere Vorfahren mussten ständig bewerten, wie sie im Vergleich zu anderen dastehen, um ihre Chancen in der Gemeinschaft und ihre Sicherheit zu erhöhen. Der Vergleich half dabei, Stärken und Schwächen zu erkennen, die eigene Rolle in der Gruppe zu definieren und die Möglichkeiten zu maximieren, die Gemeinschaft als Überlebensnetzwerk zu nutzen. Auch heute vergleicht unser Gehirn instinktiv unsere Fähigkeiten, Erfolge und unser Aussehen, um Rückschlüsse auf unser Sozialverhalten und unsere „Position“ in der Gesellschaft zu ziehen.
Der Sozialpsychologe Leon Festinger entwickelte in den 1950er Jahren die Theorie des sozialen Vergleichs, die davon ausgeht, dass Menschen einen inneren Antrieb haben, sich mit anderen zu vergleichen, um ihre eigenen Fähigkeiten und Meinungen besser einzuschätzen. Dieser Vergleich kann als Massstab dienen und uns Orientierung geben, aber er birgt auch grosse Risiken.
Vorteile des Vergleichs: Orientierung und Motivation
Vergleiche sind nicht immer schädlich; sie haben auch positive Seiten. Ein bewusster Vergleich kann Orientierung und Motivation bieten. Wenn wir sehen, dass andere in Bereichen, die uns wichtig sind, Erfolge erzielt haben, kann das inspirierend wirken und uns anspornen, ebenfalls unser Bestes zu geben. Studien zeigen, dass wir uns durch solche Vergleiche Ziele setzen, die uns helfen, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Ein „aufwärtsgerichteter Vergleich“ (Social Upward Comparison) kann dazu führen, dass wir uns auf positive Weise motiviert fühlen und uns Anregungen holen, um eigene Ziele zu erreichen. Besonders wenn wir uns mit Menschen vergleichen, die wir respektieren oder deren Werte wir teilen, kann der Vergleich uns dabei unterstützen, Herausforderungen anzunehmen und uns selbst zu verbessern.
Nachteile des Vergleichs: Verlust der Freude und Selbstwertprobleme
Trotz dieser möglichen Vorteile zeigt die Forschung, dass häufiges Vergleichen vor allem negative Konsequenzen hat. Der Psychologe Tim Kasser fand heraus, dass Menschen, die sich stark auf externe Bewertungen und Vergleiche konzentrieren, oft unzufriedener sind und weniger Lebensfreude empfinden. Vor allem in der heutigen digitalen Welt, wo soziale Medien ständig vermeintlich perfekte Lebensmomente anderer präsentieren, steigt der Druck und das Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Durch das ständige Vergleichen verlieren wir oft den Blick für das, was wir selbst bereits erreicht haben. Statt die eigenen Erfolge zu feiern, fühlen wir uns unzulänglich, da es immer jemanden geben wird, der vermeintlich „besser“ ist. Diesen Effekt nennt man auch den „Vergleichs-Paradox“: Während wir denken, dass der Vergleich uns motiviert, raubt er uns oft das Gefühl der Zufriedenheit und des Glücks im Moment.
Ein weiterer Nachteil ist der negative Einfluss auf das Selbstwertgefühl. Menschen, die sich häufig vergleichen, erleben oft mehr Selbstzweifel und ein geringes Selbstwertgefühl, da sie ihren eigenen Wert durch die Augen anderer definieren. Dies führt oft zu einer ständigen inneren Unruhe und einem Gefühl der Unsicherheit.
High Achivers & Vergleichen
High Achievers, also Menschen mit einem hohen Leistungsanspruch, stehen oft unter dem ständigen Druck, sich mit anderen zu messen und bessere Ergebnisse zu erzielen. Für sie ist der Vergleich ein ständiger Begleiter und Antrieb – sie „ernähren“ sich regelrecht davon, im Wettbewerb zu stehen und Spitzenleistungen zu erbringen. Dieser Drang, immer die Besten sein zu wollen, beginnt oft schon in der Kindheit. Viele wurden früh mit Geschwistern, Klassenkameraden oder Freunden verglichen und haben dadurch gelernt, dass ihr Wert an den Erfolgen anderer gemessen wird. Das prägt und verstärkt das Bedürfnis nach Bestätigung von aussen und verankert Vergleiche als zentrales Motiv für das eigene Handeln.
Studien zu den psychologischen Auswirkungen von Vergleichen
Eine Studie der Universität von Michigan zeigte, dass Menschen, die dazu neigen, sich oft mit anderen zu vergleichen, vermehrt depressive Symptome zeigen und weniger Lebenszufriedenheit empfinden. Die Teilnehmer berichteten, dass sie durch den Vergleich häufig das Gefühl haben, weniger erfolgreich oder glücklich zu sein, obwohl objektiv keine Gründe dafür vorliegen.
Eine weitere Studie der Universität von Kopenhagen fand heraus, dass das „Scrolling“ auf sozialen Medien bei vielen Menschen Stress und Unzufriedenheit auslöst. Hier wurde deutlich, dass das Vergleichen, gerade im digitalen Umfeld, oft ein negatives Selbstbild fördert und das Gefühl verstärkt, dass das eigene Leben nicht „gut genug“ ist.
Wie können wir den Teufelskreis des Vergleichs durchbrechen?
Der erste Schritt, um sich vom ständigen Vergleich zu lösen, ist das Bewusstsein für dieses Verhalten. Sobald wir uns dabei ertappen, dass wir uns mit anderen vergleichen, können wir innehalten und uns fragen, ob dieser Vergleich uns gerade wirklich weiterbringt. Statt uns an den vermeintlichen Erfolgen anderer zu messen, hilft es, eigene Ziele zu setzen, die uns unabhängig von äusseren Bewertungen motivieren.
Ein weiterer Tipp ist, den Fokus auf Dankbarkeit zu legen. Studien zeigen, dass das regelmässige Üben von Dankbarkeit das Wohlbefinden steigert und uns hilft, die kleinen Dinge im Leben mehr zu schätzen. Wenn wir uns auf unsere eigenen Erfolge und positiven Erfahrungen konzentrieren, verlieren wir oft das Bedürfnis, uns ständig mit anderen zu messen.
Vergleiche sind jedoch ein zweischneidiges Schwert: Sie können sowohl toxisch als auch gesund sein. Ein gewisses Maß an Vergleichen kann motivierend wirken und Orientierung bieten, indem man „nach oben“ blickt und Ziele setzt oder „nach unten“ schaut, um das eigene Vorankommen zu erkennen. Doch es ist eine Gratwanderung. In einer Erfolgsgesellschaft, in der nur Wachstum und Entwicklung zählen, fällt es vielen schwer, realistisch und dankbar für die eigenen Leistungen zu bleiben. Der Druck, ständig zu wachsen und sich zu entwickeln, macht es oft unmöglich, Zufriedenheit zu empfinden. Um dem entgegenzuwirken, ist es essenziell, eine Balance zu finden: sich durch Vergleiche inspirieren zu lassen, ohne das eigene Selbstwertgefühl vollständig daran zu knüpfen.
Letztlich geht es darum, uns selbst als einzigartig anzuerkennen und die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und Lebenswege zu schätzen. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Herausforderungen und Stärken. Wenn wir lernen, die Freude und das Glück im eigenen Leben zu finden, unabhängig von externen Massstäben, können wir uns aus der Falle des ständigen Vergleichens befreien und ein erfüllteres, zufriedeneres Leben führen.
Quellen:
Festinger, L. (1954) - A Theory of Social Comparison Processes. Human Relations, 7(2), 117–140.
In dieser grundlegenden Arbeit wird die Theorie des sozialen Vergleichs eingeführt und erklärt, warum Menschen das Bedürfnis haben, sich mit anderen zu vergleichen.
Kasser, T. (2002) - The High Price of Materialism. Cambridge, MA: MIT Press.
Diese Studie untersucht die negativen Auswirkungen von externen Bewertungen und zeigt, wie Vergleichsstreben die Lebenszufriedenheit und das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen kann.
University of Michigan (2010) - The Effects of Social Comparison on Self-Perception.
Diese Studie zeigte, dass Menschen, die sich häufig mit anderen vergleichen, eher depressiv sind und weniger Lebenszufriedenheit empfinden.
Tromholt, M. (2016) - The Facebook Experiment: Does Social Media Affect the Quality of Our Lives? University of Copenhagen.
In dieser Studie wurden die negativen Auswirkungen von sozialen Medien auf das Selbstwertgefühl und die Lebenszufriedenheit untersucht. Hier zeigt sich, dass die Tendenz, sich online zu vergleichen, das psychische Wohlbefinden stark beeinflussen kann.
Emmons, R. A., & McCullough, M. E. (2003) - Counting Blessings Versus Burdens: An Experimental Investigation of Gratitude and Subjective Well-Being in Daily Life. Journal of Personality and Social Psychology, 84(2), 377–389.
Diese Studie zeigt, wie Dankbarkeitsübungen das Wohlbefinden steigern und die Lebenszufriedenheit erhöhen können – ein wichtiger Faktor, um den negativen Auswirkungen von Vergleichen entgegenzuwirken.
Seligman, M. E. P. (2002) - Authentic Happiness: Using the New Positive Psychology to Realize Your Potential for Lasting Fulfillment. New York: Free Press.
Seligman beschreibt hier, wie positive Psychologie uns helfen kann, uns auf unsere eigenen Erfolge und Ziele zu konzentrieren und so das Bedürfnis nach Vergleichen zu verringern.