Der Flynn-Effekt! Sind Kinder klüger als ihre Eltern?

Der Flynn-Effekt bezieht sich auf die beobachtete Tendenz einer steigenden Intelligenztestleistung über Generationen hinweg. Benannt wurde der Effekt nach dem neuseeländischen Psychologen James Flynn, der diesen Effekt in den 1980er Jahren entdeckte.

Ob dies bedeutet, dass heutige Kinder "wirklich klüger" sind, hängt von der Definition von Intelligenz und Klugheit ab. Es ist jedoch bekannt, dass die Umgebung, in der Kinder aufwachsen, eine wichtige Rolle für ihre kognitive Entwicklung spielt. 

Intelligenz ist Die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, Probleme zu lösen und Wissen zu nutzen, um sich an neue Situationen anzupassen. Raymond Cattell und John Horn reduzierten die Definition auf zwei Faktoren:

  • Fluide/Flüssige Intelligenz (Gf): Fähigkeit und Geschwindigkeit beim Lösen von z.B. logischen Problemen
  • Kristalline Intelligenz (Gc): Angesammeltes Wissen, Wortschatz, angewandte Fähigkeiten

Es gibt auch Theorien der multiplen Intelligenzen. Intelligenz besteht aus mehreren Fähigkeiten, die in verschiedenen Paketen kommen. Bei Menschen mit Savant-Syndrom und Autismus-Spektrum-Störung (ASD) finden sich Hinweise auf multiple Intelligenzen.

Es gibt Experten die sagen dass Erfolg viel mehr als hohe Intelligenz ist; sehr erfolgreiche Menschen sind auch gewissenhaft, gut vernetzt und beharrlich (grit). Experten verbringen etwa ein Jahrzehnt mit intensivem, täglichen Training. Besonders wichtig ist dabei, "deliberate practice". 

Die Gründe für den Flynn-Effekt sind vielfältig und bis heute nicht vollständig verstanden. Einige Theorien deuten darauf hin, dass der Effekt auf eine verbesserte Ernährung, eine erhöhte Bildung und eine allgemein anspruchsvollere Umgebung zurückzuführen ist. Andere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass der Flynn-Effekt auf die zunehmende Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien zurückzuführen ist.

In seiner bahnbrechenden Arbeit fand Flynn Beweise, „dass repräsentative Stichproben von Amerikanern bei IQ-Tests über einen Zeitraum von 46 Jahren immer besser abschnitten, wobei der Gesamtgewinn einem Anstieg des mittleren IQ von 13,8 Punkten entsprach“ (Flynn, 1984).

Unter der Annahme, dass IQ-Tests eine genaue Darstellung der Intelligenz sind, deutet dieses Ergebnis auf eine Zunahme der menschlichen Intelligenz im Laufe der Zeit hin.

Flynn erklärt: „Wenn Sie die Menschen vor einem Jahrhundert nach modernen Normen bewerten, hätten sie einen durchschnittlichen IQ von 70. Wenn Sie uns nach ihren Normen bewerten, hätten wir einen durchschnittlichen IQ von 130“ (Flynn, 2013).

Unabhängig von den genauen Ursachen des Flynn-Effekts hat dieser Effekt wichtige Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. So haben zum Beispiel viele Länder aufgrund des Flynn-Effekts ihre Intelligenztests aktualisiert, um sicherzustellen, dass die Testergebnisse weiterhin aussagekräftig bleiben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Flynn-Effekts ist die Frage, ob ein ständiger Anstieg der Intelligenztestleistung tatsächlich bedeutet, dass wir als Gesellschaft insgesamt intelligenter werden. Einige Kritiker argumentieren, dass der Flynn-Effekt nur eine Veränderung der Fähigkeit zur Lösung von Intelligenztests widerspiegelt und nicht unbedingt auf eine Zunahme der allgemeinen Intelligenz schliessen lässt.

Einige Forschungsergebnisse legen nahe, dass es in Norwegen, Dänemark, Australien, Grossbritannien, den Niederlanden, Schweden, Finnland und deutschsprachigen Ländern einen anhaltenden umgekehrten Flynn-Effekt (einen Rückgang der IQ-Werte) geben könnte. In bestimmten Fällen kann diese scheinbare Umkehrung auf kulturelle Veränderungen zurückzuführen sein, die Teile von Intelligenztests überflüssig machen. Metaanalysen weisen darauf hin, dass sich der Flynn-Effekt insgesamt fortsetzt, entweder mit der gleichen Rate oder mit einer langsameren Rate in entwickelten Ländern.

Unabhängig von dieser Debatte ist der Flynn-Effekt ein wichtiges Phänomen in der Psychologie und hat wichtige Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir Intelligenz und menschliche Fähigkeiten messen und verstehen.

Referenzen: 

Cole, M. W., Ito, T., & Braver, T. S. (2015). Lateral prefrontal cortex contributes to fluid intelligence through multinetwork connectivity. Brain Connectivity, 5, 497– 504. https://doi.org/10.1089/brain.2015.0357 

Trahan, Lisa H.; Stuebing, Karla K.; Fletcher, Jack M.; Hiscock, Merrill (2014). "The Flynn effect: A meta-analysis"Psychological Bulletin140 (5): 1332–1360. doi:10.1037/a0037173ISSN 1939-1455PMC 4152423PMID 24979188.

https://www.simplypsychology.org/flynn-effect.html

Geschrieben von Mara Schär

Kommentar

Vielen Dank!

Mara Schär an Feb 16, 2023

Danke für den fundierten Artikel und die Literaturangaben dazu. Sehr spannend. Beobachte einzelne im Artikel aufgeführte Punkte bei meinen Kindern…

Ruedi Stirnimann an Feb 14, 2023

Hinterlasse einen Kommentar